Am 27.12. wurde FHIR als normativer Standard veröffentlicht!
Nach dem erfolgreichen Durchlauf des Ballotierungsverfahrens von HL7 International wurde nun die finale Fassung der Version "R4" publiziert.Allerdings unterscheidet sich FHIR von anderen (normativen) Standards in einem wichtigen Punkt:
Da bei der Entwicklung von FHIR sehr großen Wert darauf gelegt wird, dass Artefakte erst dann normativ (und damit unveränderlich) werden können, wenn sie ausgiebig und unter realen Bedingungen von mehreren Entwicklern aus mehreren Organisationen in mehreren Ländern der Welt getestet wurden, hat man für die FHIR-Ressourcen (Datenobjekte) das sogenannte "FHIR Maturity Model" (kurz: FMM) eingeführt.
Diese Metrik hilft einerseits den HL7-Arbeitsgruppen, den Reifegrad einer Ressource anhand von mess- und nachvollziehbaren Kriterien zu bewerten und andererseits den FHIR-Anwendern, die Stabilität einer Ressource einzuschätzen.
Die Kriterien des Maturity Models im Überblick (ausführliche Beschreibung hier):
- FMM 0: die Ressource ist im current build publiziert (Entwurfsstadium)
- FMM 1: die Ressource ist aus Sicht der verantwortlichen Arbeitsgruppe vollständig und bereit zur Implementierung
- FMM 2: die Ressource wurde im Connectathon getestet
- FMM 3: die Ressource wurde ballotiert
- FMM 4: die Ressource wurde in einem FHIR-Release publiziert. Nicht rückwärts-kompatible Änderungen sind nur mit Zustimmung der Community möglich.
- FMM 5: die Ressource wurde in mindestens zwei FHIR-Releases publiziert, und in mindestens fünf unabhängigen, produktiven Systemen in mehr als einem Land implementiert.
- FMM 6/N: die Ressource ist normativ: Inkompatible Änderungen sind nicht mehr möglich, substantielle Änderungen nur in Ausnahmefällen.
Da sich FHIR inzwischen über ein weites Feld von Anwendungsszenarien erstreckt und immer noch neue Bereiche erschlossen werden, sind die Artefakte der Spezifikation nicht nur unterschiedlich alt, sondern haben auch unterschiedliche Reifegrade.
Dabei sind nicht nur die Prioritäten der zuständigen Arbeitsgruppe bei HL7 ausschlaggebend, sondern vor allem die Bereitschaft der Industrie bzw. der Anwender, die Ressourcen in Prototyp-Entwicklungen zu testen und Feedback zu geben.
In der Konsequenz haben in der aktuell publizierten Version noch bei weitem nicht alle Ressourcen den Reifegrad FMM 6 erreicht, der Voraussetzung für den normativen Status ist.
- Binary
- Bundle
- CapabilityStatement
- CodeSystem
- DomainResource
- Observation
- OperationDefinition
- OperationOutcome
- Parameters
- Patient
- Resource
- StructureDefinition
- ValueSet
Dabei fällt auf, dass es sich überwiegend um infrastrukturelle Ressourcen handelt und weniger um klinische Objekte, daher drängt sich natürlich die Frage auf, warum die aktuelle Version R4 als "normativ" gefeiert wird, wenn bei der großen Mehrheit der Datenobjeke noch immer "for trial use" im Beipackzettel steht?
Die wichtigste Eigenschaft von R4 ist, dass die technologische Basis von FHIR nun stabil ist.
Dies drückt sich weniger durch die Anzahl der normativen Ressourcen aus, sondern vielmehr durch die Anzahl der normativen Kapitel der Spezifikation.
So sind alle wichtigen technologischen Grundlagen von FHIR in R4 normativ und damit stabil, unter anderem:
- Referenzen
- Erweiterbarkeit (Extensions)
- Formate: XML, JSON & RDF
- Terminologie-Framework
- RESTful API (HTTP)
- Syntax für Suche per REST
- Operations
- Datentypen
- Profilierung von FHIR-Ressourcen
Was bedeutet das alles für diejenigen, die 2019 mit der Implementierung von FHIR beginnen wollen?
Wie schon in der Version STU3 gilt auch in der normativen Version die Empfehlung, sich zunächst einen Überblick zu verschaffen, welche Ressourcen bei der eigenen Implementierung benötigt werden und welche Reifegrade diese haben.
Niedrige Reifegrade (FFM < 3) sind kein Grund, nicht mit der Implementierung und Nutzung zu beginnen (zur Erinnerung: Ressourcen können nur dann höhere Reifegrade erreichen, wenn sie von der Industrie getestet und implementiert werden!).
Es ist jedoch zwingend notwendig, den Kontakt zur Community herzustellen, um
- Fragen und Unklarheiten zu den jeweiligen Ressourcen zu klären und damit der Arbeitsguppe zu ermöglichen, die Dokumentation zu verbessern,
- Feedback in Form von Beteiligung an Connectathons oder Einreichung von Change Requests geben zu können,
- bei anstehenden substantiellen Änderungen rechtzeitig informiert zu werden und vom Mitspracherecht der Community Gebrauch machen zu können.
Zwar birgt die Nutzung von unreifen Ressourcen die Gefahr von nicht-kompatiblen Änderungen in späteren Releases, jedoch auch die Chance, durch aktive Mitarbeit an der weiteren Gestaltung der Ressource mitwirken zu können und sie damit für das eigene Projekt besser nutzbar zu machen.
Der einfachste Weg in die Community führt über den FHIR-Chat: http://chat.fhir.org
Falls Sie Fragen zu Nutzung von FHIR R4 für ein konkretes Projekt oder FHIR im allgemeinen haben, verwenden Sie bitte das Kontaktformular auf unserer Homepage und wir helfen Ihnen gerne weiter.